St. Marienkirche

Lage und Geschichte

Die ev.-luth. Kirche St. Marien ist eine der beiden größten und bedeutendsten Kirchen Flensburgs. Ihre Geschichte ist eng mit der der Stadt verbunden. Sie erhebt sich über einem alten Siedlungskern auf dem seicht ansteigenden westlichen Ufer oberhalb der Flensburger Förde nördlich des Nordermarkts.
Mit der Anlage des Kirchspiels St. Marien wurde wohl nach dem Regierungsantritt des dänischen Königs Knud VI. im Jahre 1182 begonnen. Der Sieg über die wendischen Seeräuber machte den Ostseehandel möglich und führte zum Bau von Schiffen mit größerem Tiefgang, die jedoch die Schiffersiedlung St. Johannis, am damaligen Ende der Förde gelegen, nicht mehr anlaufen konnten. Wahrscheinlich waren es Kaufleute der ursprünglich in Schleswig beheimateten Knudsgilde, die den neuen Marktort mit einem Schiffsanlegeplatz gründeten. Die Anlage des Kirchspiels St. Marien folgte dem Schema der deutschen Gründungsstadt: ein viereckiger Marktplatz (der Nordermarkt), auf dessen Ecken Straßen rechtwinklig zulaufen und den eine "Budenreihe" von der Marktkirche 
St. Marien trennt.
Ihre erste urkundliche Erwähnung erfährt die St. Marien-Kirche in einem Ablassbrief des dänischen Bischofs Tycho von Aarhus am 2. Mai 1284. Dieser besagt, dass die Vorsteher und Einwohner des Marien-Kirchspiels begonnen haben, von neuem eine steinerne Kirche zu bauen. Die Vorgängerkirche war 1248 zerstört worden. Es war die erste Blütezeit Flensburgs: Der stetig wachsende Handel und die stetig steigende Einwohnerzahl mögen mit ein Grund dafür gewesen sein, dass Flensburg Ende 1284 die Stadtrechte erhielt, die von König Waldemar IV. bestätigt wurden. Weitere Glanzzeiten erlebte Flensburg im 14. und 16. Jh., obwohl es nicht der Hanse angehörte. Nach der Einführung der Reformation 1526/27 verzeichnete die Stadt eine zweite niederdeutsche Einwanderungswelle. Es Kamen vornehmlich westfälische und niederländische Kaufleute. Sie profitierten vom Niedergang der Hanse und machten Flensburg zur wichtigsten Seehandelsstadt der dänischen Krone. Zu nennen sind u.a. der Flensburger Kaufmann und Bürgermeister Dietrich Nacke, der der Marienkirche die Kanzel und den Hochaltar stiftete, und der Bürgermeister Hinrich v. Merfeldt. Die Handelsbeziehungen Flensburgs reichten zu dieser Zeit bis nach Riga, Norwegen und Frankreich. Der Wohlstand ermöglichte neben den vielen kirchlichen Stiftungen auch den Bau der für Flensburg charakteristischen Kaufmannshöfe. Mit dem Bildschnitzer Heinrich Ringerinck, der seit 1573 in Flensburg nachweisbar ist, gewann die Stadt durch seine Arbeiten weit über ihre Grenzen hinaus an Bedeutung. Seit der Reformation waren die meisten Pröpste Flensburgs zugleich Pastoren an St. Marien. Nach wirtschaftlichen Rückschlägen nahm der Seehandel im späten 18. Jh. durch den Westindienhandel einen großen Aufschwung, worauf Flensburgs Ruf als "Rum-Stadt" beruht. Es begann erneut ein "goldenes Zeitalter " für die Stadt. In der Gründerzeit am Ende des 19. Jh. wuchs Flensburg schließlich über seine jahrhundertealten Grenzen hinaus.

Die Baugeschichte und das Äußere der Kirche

Die heutige St. Marien-Kirche, eine dreischiffige gotische Backsteinhalle, ist der zweite Kirchbau an gleicher Stelle. Bei der Restaurierung im Jahre 1958 wurden in der Westwand zwei Fenster gefunden, die in die Zeit um 1220 datiert werden. Aufgrund dieser Tatsache ist anzunehmen, dass auch die Vorgängerkirche bereits ein aus Stein gebautes Gotteshaus war. Wie im vorherigen Kapitel schon erwähnt, begann man 1284 mit dem Neubau der Kirche. Dieser Neubau - eine dreischiffige Stufenhalle - umfasste die drei westlichen Joche der heutigen Kirche. Um 1400 wurde die Kirche um zwei Joche nach Osten hin verlängert, wobei das Ostjoch mit den beiden östlichen Seitenschiffjochen eine gerade Apsis bildet. An die Seitenschiffe baute man Kapellen von unterschiedlicher Tiefe. Nach dem Bau des ersten Turmes 1730/31wurden das Mittelschiff und die Seitenschiffe im Jahre 1788 unter einem mächtigen Mansarddach zusammengefasst, das das Aussehen der Kirche bis heute entscheidend prägt.

Nähert man sich der Marienkirche von der Großen Straße aus, sieht man schon von weitem ihren hochaufragenden Turm (die Straßenbahn sieht man heute allerdings nicht mehr). Anfänglich zierte die St. Marien-Kirche kein Turm, sondern ein Dachreiter. In den Jahren 1730/31 wurde erstmals ein Turm mit einer Barockhaube über dem Westjoch des Mittelschiffes auf verstärkten Turmeckpfeilern und der alten Westfassade (A) erbaut. Es fällt auf, dass diese nicht lotrecht zur gesamten Architektur des Kirchenschiffes steht. 1878-80 wurde der alte Turm nach Plänen des Architekten Johannes Otzen aus Berlin durch einen neugotischen ersetzt. Er entwarf u. a. auch 1877 den Turm der Flensburger Nikolaikirche und 1894-96 den Turm der St. Laurentius-Kirche in Itzehoe. Anstelle der Barockhaube wurde dem Turm ein spitzer Turmhelm aufgesetzt, der in seinem unteren Bereich aus nach oben spitz zulaufenden Giebeln herauswächst. Die Etage unter den Turmgiebeln wird durch je zwei spitzbogige Schallöffnungen aufgelockert, hinter denen sich die Glockenstube befindet. Bemerkenswert ist das in der westlichen Turmfront in einer Fensterblende aufgestellte Standbild der Mondsichelmadonna mit Kind aus Bückeberger Stein, das von Hinrich "Stenhouwer und Snitker" 1589 für den damals neu erbauten Westgiebel geschaffen wurde.
Der Portalvorbau an der Südseite des Turmjoches stammt aus dem Jahre 1958 und dient heute als Haupteingang. Es folgen nach Osten hin zwei Kapellen (B) (um 1400) von unterschiedlicher Tiefe mit großen dreiteiligen Fenstern. An die kleinere Kapelle schließt sich ein Barockportal © mit einem zierlichen, geschweiften Volutengiebel an, das im Zusammenhang mit den Baumaßnahmen 1780 entstand. Lediglich an den zwei östlichen Jochen der Südseite wird die Seitenwand der Halle sichtbar.

Das Innere der Kirche

Betritt man die Kirche durch den Haupteingang, so lassen sich vom Mittelgang unter der Orgelempore aus die beiden Raumteile gut unterscheiden: Die beiden östlichen Joche aus der Zeit um 1400 (der "Chor") sondern sich von den drei westlichen Jochen von 1284 deutlich ab. Die westlichen Joche ruhen auf Vierkantpfeilern, wobei die Pfeiler, die den Turm tragen, verstärkt wurden und das Mittelschiff einengen. Die Gewölbe bestehen aus Kreuzrippen. An der westlichen Stirnwand des südlichen Seitenschiffes zeigen Fundamentsteine des Vorgängerbaus die alte Fußbodenhöhe an. In der Westwand ist das alte Westportal als Nische sichtbar. Die beiden östlichen Joche (der "Chor") sind höher und auch größer. Zwei massive Rundpfeiler treten an die Stelle der Vierkantpfeiler. Da beim vierten Joch Portale an der Nord- und Südseite eine Art Querachse bilden, nimmt dieses Joch fast den Charakter einer Vierung an. Die beiden Südkapellen (B) und die große Nordkapelle (F) öffnen sich mit jochweiten Spitzbögen zum gleich hohen Seitenschiff. Die Tür in der Nordwand führt zur Sakristei.

Die Gewölbemalereien

An verschiedenen Stellen des Gewölbes haben sich größere Reste der spätmittelalterlichen Ausmalung erhalten. Im dritten Joch des Nordseitenschiffes sind in vier Gewölbekappen, vorwiegend in linearer Konturenzeichnung mit teilweise farbiger Tönung aus der Zeit um 1400, Szenen aus der Vorgeschichte Jesu (1) dargestellt: Die westliche Kappe zeigt die legendenhafte Vorgeschichte der Geburt der Maria (Joachim und Anna) in der nördlichen Kappe wird links die Geburt der Maria dargestellt und rechts die Verkündigung der Geburt Jesu an Maria. Die östliche Kappe zeigt die Vorgeschichte der Geburt Johannes des Täufers (Maria bei Elisabeth), und in der südlichen Kappe erkennen wir die Darstellung Jesu im Tempel.

Im dritten Joch des Südseitenschiffes sind groteske Einzelfiguren profanen Charakters (2) dargestellt, Typen der Volksüberlieferung: ein "Wilder Mann", der einen Bären erschlagen will, ein Mann, der auf einem Löwen kniet, ein Grotesk-Tänzer sowie zwei Ritter in voller Turnierrüstung.

Die Darstellung über dem Altar stammt vom Ende des 15. Jh. und zeigt das "Jüngste Gericht" (3). Christus sitzt in der Mitte als Weltenrichter auf einem Regenbogen. Seine Füße ruhen auf der Erdkugel. Von seinem Mund gehen links drei Lilien als Zeichen der Vergebung und rechts ein Schwert als Zeichen des Gerichts aus. Links unten kniet führbittend Maria vor dem Himmelstor mit Zinnen und Dachfenster. Vor ihr sind zwei Auferstandene zu erkennen. Rechts unten kniet Johannes der Täufer. Unter ihm öffnet sich der Höllenrachen.

Die Glocken der Marienkirche

Die Stundenschlagglocke wurde 1682 von Claus Asmussen in Husum gegossen. Sie trägt die Inschrift "Ehre sei Gott in der Höhe". Folgender Text findet sich ebenfalls auf dem Glockenkörper:

Nachdem ich lange Zeit hab andern nachgeklungen
wan man sie eingesargt nach ihrem Grabe trug.
So hab endlich auch mein Grablied mir gesungen
da beim Geläute mich mein Hausgenoss erschlug.
Die Unschuld ward dazu zum Feuer noch verdammet.
So gänzlich war man hier auf meinen Todt erpicht
doch bin ich aus der Gluth ganz neu hervorgestammet.
Ein wahrer Phönix denn die Unschuld stirbet nicht.

Als Viertelstundenschlagglocke dient seit 1904 die 1631 für den damaligen Friedhof St. Gertrud gegossene Glocke mit der Inschrift "Der Name des Herrn sei gelobt".

Im Jahre 1698 während der acht Tage vor Pfingsten wurde die Marienglocke ("Die dicke Maria") gegossen. Ebenfalls von Claus Asmussen in Husum. Sie trägt neben der Inschrift "Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein?" einen Hinweis auf das Datum und den Vorgang des Gießens, ein Kruzifix mit Maria Magdalena sowie zwei Pelikane, die ihre Jungen füttern. Letzteres ein symbolischer Ausdruck für die selbstopfernde Liebe.

Wenn um 18 Uhr die zwei kleinen Stundenschlag-Glocken verklungen sind, ertönt die "Maria" von Montag bis Freitag zum sogenannten Angelus-Läuten. Dieses Läuten fordert zum Gebet des Angelus (Engels) auf.

Bilder in Ordnung

  1. St. Marien Mitte 12. Jahrhundert
  2. Marienstraße
  3. St. Marien um 1860
  4. Seitenschiff rechts 1894
  5. Innenansicht
  6. Marienglocke von 1698

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