Die Orgel von St. Marien
Die Marienkirche besaß bereits im 15. Jahrhundert eine Orgel, denn schon 1484 wird ein Organist erwähnt. 1553 wurde ein Neubauvertrag mit dem Lübecker Orgelbauer Barthold Hering abgeschlossen, der dann allerdings nicht zur Ausführung kam, wahrscheinlich wegen fehlender Bürgen für den schon betagten Meister.
1605 bis 1609 erfolgten größere Arbeiten an der Orgel, die unter der Leitung von Nikolaus Maaß stattfanden, der zu dieser Zeit mit der Errichtung der großen Orgel von St. Nikolai beschäftigt war.
Nach zahlreichen Reparaturen und Arbeiten während des gesamten 17. Jahrhunderts markiert das Jahr 1730 eine Zäsur: Die Marienkirche, die bis dahin nur einen Dachreiter besessen hatte, erhielt erstmals einen Turm, was den kompletten Abbau der Orgel erforderlich machte. Nach Abschluss der Turmbauarbeiten entschloss sich das Patronat der Kirche im Jahr 1731 zu einem Orgelneubau, der an Lambert Daniel Carstens, einen Schüler Arp Schnitgers, vergeben wurde. Der Orgelbau wurde jedoch nicht von Carstens selbst ausgeführt, der zwar den Entwurf fertigte, die Ausführung aber seinem Schüler Johann Dietrich Busch anvertraute. Busch lieferte eine hervorragende Arbeit ab, denn noch 1895 lobte der Marienorganist Heinebuch die „in so vorzüglicher Weise“ erbauten Windladen der alten Orgel.
In den folgenden Jahren pflegte Johann Daniel Busch, der die Nachfolge seines Vaters antrat, die Orgel. Ihm folgte 1769 Jürgen Hinrichsen Angel, der seit 1759 das Amt des Totengräbers, Kirchendieners und Kalkanten an St. Marien übenommen hatte. Angel hatte das Tischlerhandwerk erlernt und sich autodidaktisch zum Orgel-und Instrumentenbauer weitergebildet.
1794 soll er nach Angaben von C. Heinebuch das bis dahin im Prospekt stehende Rückpositiv „nach hinten, über die Bälge“ verlegt haben. Über die „mercklichen Verbesserungen“, die der reisende Orgelvirtuose Abbé Vogler 1799 an der Orgel vornehmen ließ, sind leider keine Einzelheiten ekannt. 1820 erhielt Jürgen Marcussen erstmals einen Auftrag zur Reparatur der Orgel, die laut einer Auskunft des Marienorganisten C.F.F. Paulsen aus dem Jahr 1817 bereits seit „36 Jahren ... keine Haupt- Reparation gehabt“ hatte. Der folgende Orgelumbau durch Marcussen & Reuter im Jahr 1831 ist Ausdruck des gewandelten Klangempfindens, das sich vom hellen, klarzeichnenden und obertonreichen Klang des Barockzeitalters zu einem mehr voluminösen und grundtönigeren Klang hin entwickelt hatte. In dieser Klanggestalt hat die Orgel dann bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ihren Dienst versehen.
Im Jahr 1913 erfolgte ein Neubau durch die Firma Walcker (op. 1779, 62 Stimmen). Dieses hochromantische und grundtönige Instrument wurde 1983 durch eine neue Orgel der Firma Marcussen (Aabenraa, DK) ersetzt. Diese Orgel steht im historischen Gehäuse von Lambert Daniel Carstens, das um ein Rückpositiv und ein rückwärtiges Schwellwerksgehäuse erweitert wurde. Das schön intonierte Instrument hat 41 Register auf 3 Manualen und Pedal. Mit seiner universal ausgelegten Disposition lässt sich ein großer Teil der Orgelliteratur stilgerecht darstellen.